Vergaser für Dummies

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niels
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Vergaser für Dummies

Beitrag #1 von niels » So 25. Jan 2009, 19:28

Bild

Unter besonderer Berücksichtigung der Motorcraft „4300“ Vergaserbaureihe

Teil 1:

Viele Besitzer älterer amerikanischer Wagen stehen vor dem Problem, dass „irgendwas mit dem Vergaser nicht stimmt“. Nur was? Leider gibt es in Deutschland naturgemäß nur wenige Spezialisten, die sich mit den verschiedenen Vergasern amerikanischer Bauart auskennen. US-Fahrzeuge waren aufgrund der hubraumorientierten Besteuerung hierzulande stets benachteiligt, so dass nur wenige Autos als Neufahrzeuge hier in Deutschland zugelassen wurden. Entsprechend dünn ist die Anzahl der Werkstätten, die sich mit den Fahrzeugen einigermaßen auskennen. Daher muss man sich in der Regel selbst helfen, will man nicht ewig mit miesen Verbrauchswerten und schlechten Starteigenschaften leben. Ein guter Teil der berühmt-berüchtigten horrenden Verbrauchswerte kommt lediglich durch schlecht abgestimmte Vergaser zustande. Während hubraumschwächere Fahrzeuge bei ähnlichen Mängeln praktisch unfahrbar sind, läuft ein großer V8 einfach weiter – nur eben mit dramatisch schlechteren Verbrauchswerten. Der folgende Artikel befasst sich eingehend mit den Grundlagen und soll das technische Verständnis des interessierten Laien verbessern helfen. Verbesserungsvorschläge, Anregungen und Kritik sind durchaus willkommen.

Einleitung

Vergaser (engl. carburetor oder kurz carb) sind so konstruiert, dass sie für verschiedene Betriebsbedingungen des Motors automatisch das Mischungsverhältnis von Luft und Kraftstoff anpassen. Dies ist notwendig, da zum Starten, im Leerlauf oder auch bei Vollgas ein fetteres Gemisch als sonst benötigt wird. Lästerliche Stimmen behaupten, Vergaser seien wunderbar ingeniöse Gebilde welche zu jedem beliebigen Zeitpunkt genau das falsche Kraftstoff-Luft-Gemisch liefern...

Ein mageres Gemisch aus wenig Benzin und mehr Luft ist bei leicht gedrücktem Gaspedal und geringer Belastung des Motors erwünscht. Dieses verdünnte Gemisch im so genannten Teillastbereich wirkt sich vorteilhaft auf den Benzinverbrauch aus, ohne dabei die Leistung wesentlich zu verringern. Bei Vollgas und hoher Motorbelastung werden die letzten Leistungsreserven mobilisiert und ohne Rücksicht auf den resultierenden Kraftstoffverbrauch zusätzliche Benzinmengen durch den Vergaser gejagt. Bei niedrigen Motordrehzahlen (z.B. Leerlauf) ist ebenfalls eine Anpassung des Verhältnisses Luft zu Benzin notwendig, damit ein runder Motorlauf bei möglichst geringen Abgaswerten möglich ist.

Der Motor kann zunächst einmal als Vakuumpumpe betrachtet werden, der während des Ansaugtaktes durch die Abwärtsbewegung des Kolbens einen Unterdruck erzeugt. Luft wird daraufhin durch die einzige vorhandene Öffnung gesaugt – durch den Vergaser. Der Vergaser steuert dabei die Menge der angesaugten Luft und gleichzeitig die dazugehörige Kraftstoffmenge. Großvolumige V8-Motoren wie sie in Lincoln-Fahrzeugen typischerweise verbaut wurden, wurden bis zur Einführung von Einspritzanlagen mit sog. Vierfach-Vergasern (engl. 4-barrel bzw. 4-bbl) bestückt. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Anzahl der Luftdurchlassöffnungen des Vergasers. Vierfach-Vergaser boten bis zur Einführung von Einspritzanlagen für 8-Zylindermotoren den idealen Kompromiss aus Leistung und Spritverbrauch bei gleichzeitig relativ geringem konstruktivem Aufwand. 4-fach-Vergaser haben je zwei Primärsysteme (engl. main) und 2 Sekundärsysteme (engl. secondary). Das Sekundärsystem wird erst bei relativ weit durchgetretenem Gaspedal wirksam. Dann nämlich ist der Öffnungsquerschnitt des Primärsystems nicht mehr ausreichend, um die maximal mögliche Leistung zu erzielen. Es wird im Prinzip ein zusätzlicher Vergaser aktiv, um noch mehr Benzin in die Brennräume des Motors zu schaffen. Warum nun aber das Ganze doppelt? Bei einem Ford-V8 ist der Ansaugtrakt in zwei Bereiche aufgeteilt (engl. dual plane intake manifold). Dies ist jedoch nicht wie man denken könnte der linke und rechte Teil des Motors, sondern je 2 Zylinder aus der rechten und linken Zylinderbank sind zusammengefasst. Die Aufteilung richtet sich nach der Zündreihenfolge und ist so gestaltet, dass durch den zweigeteilten Ansaugtrakt immer abwechselnd durch die linke und die rechte Vergaserseite angesaugt wird. Dadurch gibt es in jeder Vergaserhälfte eine stärkere Pulsation. Ein Vergaser funktioniert mit dieser Strömungspulsation besser, als bei einer gleichförmigeren Strömung. Das liegt daran, dass der Vergaser im Wesentlichen nur Druckunterschiede für die Zumessung der richtigen Kraftstoffmenge nutzen kann. Und mit der abwechselnden Arbeitsweise der beiden Vergaserhälften sind die Unterdrucksignale eben stärker. Das hilft bei der Abstimmung des Vergasers und außerdem erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit im Ansaugkanal, wenn es diese eben beschriebenen getrennten Ansaugwege gibt.

Schwimmer

Der Schwimmer (engl. float) ist dazu da, eine konstante Menge Benzin in der Schwimmerkammer (engl. fuel bowl) auf Vorrat zu halten. Der konstante Füllstand ist deswegen so wichtig, weil viele (eigentlich beinahe alle) Vergaserfunktionen davon abhängig sind. Damit sich der richtige Füllstand einstellen kann, muss an der Schwimmerkammer eine Belüftungsöffnung vorhanden sein. Ab etwa 1970 wurden aus Umweltschutzgründen diese Belüftungsöffnungen so gelegt, dass sie in den Bereich innerhalb des Luftfilters führen. Eventuell austretende Benzindämpfe werden somit vom laufenden Motor angesaugt und verbrannt.

Manche Vierfach-Vergaser (z.B. Holley-Vergaser der Baureihe 4150) haben zwei Schwimmerkammern für das Primär- und Sekundärsystem. Die beiden Schwimmerkammern sind durch entsprechende Bohrungen miteinander verbunden, so dass nur eine Kraftstoffleitung von der Benzinpumpe zum Vergaser benötigt wird.

Am 4300-Vergaser wird das Benzin über den Vergaserdeckel in die Schwimmerkammer des Vergasers geführt. Dafür sind zwei Ventile im Vergaserdeckel zuständig. Das Haupteinlassventil (engl. fuel inlet valve) hat einen dreieckigen Schaft und eine Gummispitze. Diese Gummispitze dichtet das Ventil bei ausreichendem Kraftstoffstand gegen den Förderdruck der Kraftstoffpumpe ab.

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Unter extremer Hitze (z.B. sehr heißer Motor wird abgestellt) kann es vorkommen, dass sich in der Leitung von der Kraftstoffpumpe zum Vergaser durch die Stauwärme Dampfblasen bilden. Dadurch würde beim erneuten Starten des Motors weniger Benzin im Vergaser ankommen als eigentlich gebraucht wird, da der Durchflussquerschnitt des Hauptventils nicht ausreicht, um die Dampfblasen und den benötigten Kraftstoff passieren zu lassen. Fällt der Schwimmer daher unter ein vorbestimmtes Niveau, so öffnet sich daher ein zweites Einlassventil und vergrößert dadurch den Durchlassquerschnitt und die Menge an Kraftstoff, die in den Vergaser gelangt.

Bild

Der Schwimmer des 4300-Vergasers besteht aus einem geschäumten Kunststoff (Nitrophyl). Dieser ist entgegen landläufiger Meinung kaum beschädigungsanfällig. Die einzelnen Zellen des Schaumstoff-Materials sind geschlossenen, so dass eine eventuelle Beschädigung der äußeren glatten Oberfläche nicht zum Vollsaugen wie bei einem Schwamm führt. Allerdings ist die Verträglichkeit dieses Materials mit Methanol und Ethanol eher mittelmäßig. Beimischungen bis 10% Methanol im Benzin sind jedoch zulässig.  
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BigBlue
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Vergaser für Dummies

Beitrag #2 von BigBlue » Di 27. Jan 2009, 16:40

Hallo Niels,



offenbar traut sich hier niemand Danke zu sagen. Also übernehme ich mal diesen Part. Danke - für diesen ausgezeichneten und ausführlichen Wissenshappen - Teil 1. Ich und sicher viele weitere Besucher des Forums warten gespannt auf die weiteren Teile.



Gruß

Christian
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Vergaser für Dummies

Beitrag #3 von niels » Di 27. Jan 2009, 20:40

Teil 2:

Choke

Der Choke ist eine Kaltstarthilfe. Bei kaltem Motor muss ein besonders stark mit Benzin angereichertes Gemisch in den Ansaugkrümmer gebracht werden. Dies ist nötig, weil bei kaltem Motor nur wenig Benzin verdunstet – das meiste Benzin kommt dann in Tröpfchenform in den Verbrennungsräumen des Motors an. Aber nur verdunsteter Kraftstoff verbrennt besonders gut und effektiv. Flüssige Benzintropfen verbrennen hingegen nur langsam und eher schlecht. Der Choke sorgt nun dafür, dass ein deutlich fetteres Kraftstoff-Luft-Gemisch im Motor ankommt. Dazu wird eine Choke-Klappe im Ansaugkanal des Vergasers geschlossen. Diese Klappe ist ganz oben auf dem Vergaser angebracht und deckt im geschlossenen Zustand die beiden Primärsysteme des Vergasers ab. Dadurch ist beim Anlassen nicht nur unterhalb der normal geschlossenen Drosselklappen, sondern auch darüber ein Unterdruck vorhanden. Es kann nur eine geringe Menge Luft am Rande der Choke-Klappe vorbeiströmen. Durch diesen Unterdruck im Vergaser direkt unterhalb der Choke-Klappe wird Benzin gleichzeitig aus den Leerlaufdüsen und den Hauptdüsen gesaugt und das Gemisch dadurch angefettet. Durch dieses Überangebot an Benzin springt der Motor dann problemlos an, bläst aber jede Menge unverbrannte Kraftstoffteilchen durch den Auspuff hinaus.

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Automatische Choke-Systeme haben eine Bimetallfeder, die temperaturabhängig die Choke-Klappe steuert. Bei niedrigen Temperaturen drückt die Feder mit einer merklichen Kraft die Choke-Klappe zu. Mit zunehmender Erwärmung des Motors verringert sich die Federkraft und die Klappe öffnet sich entsprechend. Um die Erwärmung des Motors zuverlässig zu bestimmen, wird durch das Gehäuse in dem sich die Bimetallfeder befindet, eine gewisse Luftmenge gesaugt. Diese Luftmenge geht zuvor durch ein Röhrchen (engl. heat riser) das durch Motor-Abgase aufgewärmt wird. Bei ausreichend hoher Abgastemperatur wird sich also die Bimetallfeder entsprechend durch die vorbei streichende Luft erwärmen und die Choke-Klappe öffnen.

Der Öffnungswinkel der Choke-Klappe ist aber nicht nur von der Temperatur der Bimetallfeder abhängig, sondern auch vom Luftbedarf des Motors. Zum Ersten wirkt die Druckdifferenz zwischen Ansaugunterdruck und Umgebungsdruck auf die Klappe selbst. Die Klappe ist nicht genau mittig gelagert, so dass ein Druckunterschied zwischen Ober- und Unterseite dazu führt, dass sich die Klappe leicht öffnet. Zweitens wirkt auf den Choke-Kolben der Ansaugunterdruck. Der Choke-Kolben ist mit der Bimetallfeder verbunden, und je stärker der Ansaugunterdruck ist, umso geringer wird die Schließkraft der Feder auf die Choke-Klappe. Die Choke-Klappe öffnet sich also genau so weit, dass die Vorspannung der Bimetallfeder durch den Druckunterschied an der Klappe und den Ansaugunterdruck auf den Choke-Kolben ausgeglichen wird.

Bild

Ab Anfang/Mitte 1973 wurden die automatischen Choke-Systeme durch eine elektrische Unterstützung verbessert. Bei gemäßigten Außentemperaturen dauert es relativ lange, bis die Choke-Klappe vollständig geöffnet ist. In dieser Zeit ist die Motorleistung durch den verringerten Luftdurchsatz verringert und gleichzeitig der Kraftstoffverbrauch und die Abgasemissionen hoch. Daher wurde ein elektrisches Heizsystem in das Choke-Gehäuse eingebaut. Bei einer Außentemperatur über 60°F (rund 15°C) wird das Heizelement von der Lichtmaschine mit Strom versorgt und die Bimetallfeder damit zusätzlich erwärmt. Liegt die Außentemperatur darunter, dann wird das Heizelement nicht aktiv und die Choke-Klappe erst bei entsprechend hohen Abgastemperaturen voll geöffnet.

In das Gestänge des Vergasers ist außerdem ein System integriert, welches es ermöglicht die Choke-Klappe auch bei kaltem Motor etwas zu öffnen (engl. Choke-Unloader). Dies ist manchmal nötig, wenn ein Motor „abgesoffen“ ist (wenn sich also durch lang andauernde Startversuche zu viel Kraftstoff im Ansaugkrümmer angesammelt hat). Um unter diesen Bedingungen den Motor dennoch starten zu können, muss das Gaspedal vollständig durchgetreten werden und bis zum Anspringen festgehalten werden. Bei vollständig durchgedrücktem Gaspedal öffnet sich die Choke-Klappe um einen gewissen Betrag, so dass mehr Luft angesaugt werden kann und das überfette Gemisch wieder auf ein zündfähiges Maß verdünnt wird. Diese Funktion wird im Englischen mit „Choke Unloader“ bezeichnet.

Leerlaufsystem

Für verschiedene Betriebszustände des Motors sind ganz unterschiedliche Mengen an Benzin notwendig. Im Leerlauf ist relativ viel Zeit für die Verbrennung und gleichzeitig wird kaum Leistung benötigt. Dennoch darf der Verbrauch an Kraftstoff nicht zu hoch sein, da im Stadtverkehr der Motor durchaus längere Zeit mit geringer Drehzahl und Belastung läuft. Also gibt es für diesen Betriebszustand ein eigenes System, das die Versorgung des Motors mit verbrennungsfähigem Gemisch sicherstellt.

Unterhalb der geschlossenen Drosselklappe befindet sich eine Bohrung, in die eine kegelförmige Spitze hineinragt. Die Spitze ist das vordere Ende der Leerlaufgemischschraube. Solange die Drosselklappe geschlossen ist, saugt der Motor hier an der Spitze der Leerlaufgemischschraube ein Benzin-Luft-Gemisch durch die kleine Bohrung. Die Kraftstoffmenge lässt sich durch das Verdrehen der Leerlaufgemischschraube genau einstellen. Wird die Drosselklappe nun leicht geöffnet, wird der oberhalb der Leerlaufdüse befindliche Schlitz ebenfalls vom Unterdruck erfasst. Dadurch kann noch mehr Kraftstoff vom Motor angesaugt werden, gleichzeitig strömt auch noch mehr Luft an der Drosselklappenkante vorbei. Je weiter die Drosselklappe geöffnet wird, umso mehr Luft strömt logischerweise in den Motor. Eine gute Grundeinstellung kann man ohne einen Abgastester dadurch erreichen, dass man bei möglichst geringer Drosselklappenöffnung eine möglichst hohe Drehzahl einstellt. Also dreht man den Leerlaufanschlag der Drosselklappe immer ein kleines Stückchen in Richtung „ZU“ und probiert dann durch Verdrehen der Leerlaufdüsen die maximale Drehzahl zu erreichen. Ist die so erreichte Leerlaufdrehzahl bei warmem Motor im bereich 550 bis 600 Umdrehungen pro Minute, kann man damit meistens ganz vernünftig fahren.

Bild

Aus der Leerlaufgemischdüse und dem darüber liegenden Schlitz kommt ab einer gewissen Öffnung der Drosselklappe nicht mehr genügend Kraftstoff raus, weshalb dann zusätzlicher Kraftstoff aus dem

Hauptsystem

beigesteuert wird. Das Hauptsystem liegt oberhalb der Drosselklappen und arbeitet nach dem Prinzip der Venturidüse. Diese ringförmige Verengung im Luftstrom des Vergasers bewirkt eine örtliche Druckverminderung und Geschwindigkeitserhöhung der durchströmenden Luft. Genau an dieser Stelle sitzen nun die Kraftstoffbohrungen des Hauptsystems. Mit steigender Motordrehzahl wird mehr Luft angesaugt und somit die Strömungsgeschwindigkeit im Bereich der Venturidüse steigen. Mit steigender Strömungsgeschwindigkeit sinkt der örtliche (Luft-)Druck, so dass im Steigrohr ein im Verhältnis größerer Druck ansteht. Daher wird dann entsprechend der vorbeiströmenden Luftmenge die passende Kraftstoffmenge aus der Auslassöffnung kommen.

Bild

Wenn man sich das Bild ganz genau ansieht, stellt man fest, dass es eigentlich sogar zwei Venturidüsen ineinander gesteckt sind. Die kleinere innere Venturidüse wird „Booster-Venturi“ genannt. Dort wird durch die zusätzliche Verengung die Luft nochmals extra beschleunigt, so dass der dort austretende Kraftstoff sehr fein vernebelt wird. Außen drum herum strömt die restliche Luft, da ansonsten bei hohen Drehzahlen der Motor nicht genug Luft bekäme. Nur mit Booster-Venturi-Öffnung wäre der Querschnitt viel zu klein und ohne den Booster würde vor Allem bei mittleren Motordrehzahlen die Luft für eine gute Kraftstoffvernebelung zu langsam strömen.

Die Benzinmenge, die durch das Hauptsystem in den Motor gelangt, wird im Wesentlichen durch die Hauptdüsen und den Schwimmerstand bestimmt. Für getunte Motoren würde man also die Hauptdüsen etwas vergrößern, damit entsprechend mehr Benzin fließen kann. Im Normalfall lohnt es sich nicht die Düsengröße zu verändern, da ein fetteres Gemisch nicht automatisch mehr Leistung bedeutet. Als die Vergaser entwickelt wurden, lag das Hauptaugenmerk auf maximal möglicher Leistung bei gleichzeitiger Einhaltung der, aus heutiger Sicht, relativ laschen Abgaswerte. Daher kann man davon ausgehen, dass höhere Leistungen nicht allein durch eine Veränderung der Vergasereinstellung erreicht werden können. Erst muss durch Tuningmaßnahmen am Motor dafür gesorgt werden, dass mehr Luft in die Brennräume gelangt. Dann kann man den Vergaser an die gestiegenen Anforderungen anpassen.

Ohnehin gibt es für die Motorcraft-Vergaser der 4300-Baureihe keine Hauptdüsen zu kaufen. Will man diese Vergaser also modifizieren, muss man sich entweder alte Vergaser beschaffen und deren Düsen aufbohren oder neue Düsen nachfertigen (lassen). Im Weiteren wird noch deutlich werden, dass derartige Aktionen vielleicht ohnehin nicht ganz zielführend sind, da es noch mehr Details zu beachten gibt.

Im Bild ist auch noch die Luftdüse zu sehen. Wäre diese kleine Bohrung nicht vorhanden, würde das Benzin aus dem Bereich um das Steigrohr fast komplett rausgesaugt werden, sobald einmal ein ordentlicher Unterdruck am Venturi anliegt. Durch diese Ausgleichsbohrung wird jedoch der Unterdruck im Bereich des Steigrohrs abgebaut und somit ist der Flüssigkeitsstand immer ungefähr auf dem Niveau der Schwimmerkammer.
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Vergaser für Dummies

Beitrag #4 von V8Redneck » Di 27. Jan 2009, 23:03

Mensch Niels das ist ja Wahnsinn.So genau bis ins kleinste Deteil würde ich es nicht mal mit ner deutschen Übersetzung des Shop Manuals bekommen.

Vielen Dank und großen Respekt für deine Mühe und dein Wissen !!!
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Vergaser für Dummies

Beitrag #5 von Flippo » Mi 28. Jan 2009, 11:09

:) Danke für den Beitrag Niels !! :) :)
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niels
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Vergaser für Dummies

Beitrag #6 von niels » Mi 4. Feb 2009, 21:34

Teil 3:

Bis jetzt haben wir uns nur mit der ersten Hälfte des Vergasers befasst. Nun kommt auch die zweite Hälfte dran:

Das Sekundärsystem

Das Sekundärsystem (engl. secondaries) ist dafür zuständig, dass bei weit geöffneter Drosselklappe noch mehr Luft in den Motor strömen kann und natürlich auch die dazu notwendige Kraftstoffmenge mitgegeben wird. Im Prinzip ist das Ganze nicht viel anders als das Primärsystem aufgebaut. Nur fehlt hier logischerweise das Leerlaufsystem. Durch die Gestängemechanik werden beim 4300-Vergaser die Drosselklappen des Sekundärsystems nämlich erst dann mitbewegt, wenn die Drosselklappen des Hauptsystems schon fast ganz offen sind.

Was würde passieren, wenn man nun (unvernünftigerweise) bei noch kaltem Motor auf die Idee käme Vollgas zu geben? Das Hauptsystem wäre ja durch den Choke in der Luftzufuhr gedrosselt, das Sekundärsystem jedoch würde viel Luft durchlassen, dabei jedoch für den kalten Motor aber zu wenig Sprit mitliefern. Das Motörchen würde sich sicherlich schwer verschlucken, da das Kraftstoff-Luft-Gemisch dann nicht fett genug wäre. Also wurde am Choke noch ein Hebel angebracht, der verhindert, dass bei geschlossener Choke-Klappe das Sekundärsystem überhaupt aufmacht (engl. secondary lockout lever).

Um einen gleichmäßigen Übergang von der 2fach-Vergasung zur 4fach-Vergasung zu ermöglichen, sind zusätzliche Luftklappen zwischen den Booster-Venturis und den Sekundärdrosselklappen angebracht. Diese Luftklappen werden mit einer relativ schwachen Feder geschlossen gehalten und sind ähnlich wie die Choke-Klappe etwas außermittig gelagert. Wenn sich nun die Sekundärdrosselklappen öffnen, saugt der Motor von unten an diesen Luftklappen. Je mehr, umso weiter öffnen sich die Luftklappen. Je mehr sich die Klappen öffnen, umso mehr Kraftstoff kann aus dem darüber befindlichen Booster Venturi gesaugt werden. Unterhalb der Luftklappen sind noch schräg in den Luftstrom hineinragende Anreicherungsröhrchen. Diese sorgen für ausreichende Benzinzufuhr solange die Luftklappen noch nicht richtig offen sind.

Etwas anders funktionieren so genannte „vacuum secondaries“. Diese Bauart wird z.B. von Holley verwendet. Die Sekundärdrosselklappen haben hierbei überhaupt keine mechanische Verbindung zu den vom Gaspedal betätigten Primärdrosselklappen. Die sekundären Drosselklappen werden nur durch den bei steigender Motordrehzahl ansteigenden Unterdruck im Bereich der Venturidüsen geöffnet. Dazu dient eine Unterdruckmembran im Vergaser, die mit einem Betätigungshebel für die Sekundärdrosselklappen verbunden ist. Der Vorteil dieser Konstruktion liegt darin, dass der Übergang vom Primär- auf das Sekundärsystem relativ einfach angepasst werden kann. Auch extrem getunte Motoren mit geringem Ansaugunterdruck lassen sich durch eine Änderung der Membranfeder anpassen. Beim 4300-Vergaser ist so ein Tuning wegen der mechanischen Verbindung der beiden Hauptsysteme nur schwer möglich. Es gibt einfach zu viele sich gegenseitig beeinflussende Faktoren, so dass ein Feintuning des Übergangsbereiches kaum möglich ist.

Wichtig: Der Übergang vom Primär- zum Sekundärsystem ist im Fahrbetrieb nicht spürbar! Beim langsamen Durchtreten des Gaspedals steigt die Motorleistung stets gleichmäßig und ohne sprunghafte Änderungen. Setzt beim Durchbeschleunigen ab einer gewissen Gaspedalstellung ein sprunghafter Leistungsschub ein, dann heisst das nur, dass die Secondaries zu spät öffnen und der Motor vorher weniger Leistung gebracht hat als eigentlich möglich.

Beschleunigerpumpe

Die Beschleunigerpumpe (engl. accelerator pump) liefert bei plötzlichem Gasgeben eine Extraportion Kraftstoff für den Motor. Dies ist notwendig, da beim plötzlichen Öffnen der Drosselklappen sofort mehr Luft in die Verbrennungsräume gelangt, das Benzin aber eine gewisse Trägheit besitzt und nicht schnell genug hinterherkommt. Ohne die zusätzliche Kraftstoffmenge aus der Beschleunigerpumpe würde der Motor sich bei jedem Gasstoß wegen kurzzeitigem Spritmangel verschlucken.

Bild

Bei geschlossener Drosselklappe ist der Kolben der Beschleunigerpumpe an seinem höchsten Punkt. Wird nun die Drosselklappe geöffnet, bewegt sich der federnd gelagerte Kolben nach unten und der entstehende Druck drückt die Kugel des Rückschlagventils in ihren Sitz. Damit kann das Benzin nur noch über die freie Auslassbohrung abfließen. Der Druck hebt dann das Nadelventil an und drückt schließlich das Benzin durch zwei kleine Düsen in den Ansaugbereich des Hauptsystems. Diese Funktion lässt sich bei abgenommenem Luftfilter sehr gut beobachten.

Bei hohen Motordrehzahlen entsteht an den Auslassöffnungen der Beschleunigerpumpe durch die rasch vorbeiströmende Luft ein Unterdruck. Damit nun kein Kraftstoff aus diesen Düsen herausgesaugt wird, existiert zwischen den beiden Auslassöffnungen und dem Nadelventil eine Belüftungsbohrung mit einem Rückschlagventil (kugel- oder scheibenförmig). Durch diese Belüftungsbohrung kann Luft anstelle von Benzin strömen und durch die Auslassöffnungen der Beschleunigerpumpe wieder austreten. Während die Beschleunigerpumpe aktiv ist, schließt das durch den Pumpendruck angehobene Nadelventil den Luftkanal zur Belüftungsöffnung.

Der Kolben der Beschleunigerpumpe ist gefedert, damit sich das Betätigungsgestänge bei plötzlichem Gasgeben nicht verbiegt. Benzin ist praktisch nicht komprimierbar und die Düsen lassen ja nur eine gewisse Menge an Benzin pro Zeiteinheit durch. Das Gestänge bewegt sich bei jedem Gasgeben nach unten und der Kolben wird durch die eingebaute Feder nachgedrückt. Somit ist sichergestellt dass der Extraschluck Benzin über einen gewissen Zeitraum eingespritzt wird, solange bis das etwas träger ansprechende Hauptsystem wieder genug Benzin liefert.

Wird das Gaspedal anschließend wieder losgelassen, geht der Kolben wieder in die obere Position zurück. Das Nadelventil schließt sich dabei, das Rückschlagventil unter dem Kolben öffnet sich und füllt die Kammer mit Benzin aus der Schwimmerkammer.

Eine nicht ganz unwichtige Nebenfunktion hat die Beschleunigerpumpe außerdem für den Kaltstart des Motors. Dazu muss bekanntlich vor dem Starten das Gaspedal einmal ganz durchgetreten werden. Dabei wird natürlich auch von der Beschleunigerpumpe Benzin eingespritzt. Da der Motor dabei noch nicht läuft, landet es im Ansaugkrümmer und kann dort verdunsten. Dadurch reichert sich die Luft im Ansaugkrümmer schon mal mit Benzin an, was die Startwilligkeit begünstigt. Bei warmem Motor insbesondere im Sommer sollte man deswegen das Gaspedal vor dem Start nur ganz leicht betätigen, da sonst zu viel Benzin das Anspringen nur unnötig verzögert.

to be continued....
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Vergaser für Dummies

Beitrag #7 von niels » Mo 16. Feb 2009, 21:08

Teil 4 (Ende):

So nun zum Abschluss der Serie geht es um das

Lastanreicherungsventil (engl. Power valve)

Wozu dient das Teil? Das Lastanreicherungsventil ist dazu da, das Benzin-Luft-Gemisch belastungsabhängig zu gestalten. Die Gaspedalstellung und die Motordrehzahl sagen ja noch nicht Alles über die gerade benötigte Kraftstoffmenge. Ich kann bei Halbgas und mittlerer Motordrehzahl gerade auf der Autobahn dahingleiten, oder einen steilen Berg hinauffahren (=Lastforderung). In letzterem Fall muss natürlich viel mehr Benzin in die Brennräume gelangen, damit ich auch den Berg raufkomme. Das Power valve ist praktisch parallel zu den Hauptdüsen geschaltet. Im Normalfall (beim cruisen) ist das Ventil geschlossen.

Bild

Sobald vom Motor viel Drehmoment verlangt wird, ist die Drosselklappe relativ weit geöffnet und gleichzeitig aber die Motordrehzahl vergleichsweise niedrig. Dadurch herrscht im Ansaugbereich nur ein geringer Unterdruck. Es strömt nur wenig Luft durch die Venturi-Düsen und wenn nicht bald etwas mehr Kraftstoff in die Brennräume kommt, wird sich wohl nicht allzu viel daran ändern. Nun könnte man durch einen kräftigen Tritt auf das Gaspedal dafür sorgen, dass von der Beschleunigerpumpe zusätzlicher Kraftstoff eingespritzt wird, aber das wird nicht immer erwünscht sein. Also tritt das Power Valve in Aktion: Der bei hoher Motorlast (Drehmomentanforderung) sinkende Ansaugunterdruck führt dazu, dass der Kolben nicht mehr ausreichend nach oben gesaugt wird. Der Kolben drückt deswegen nun von oben auf das am Boden der Schwimmerkammer befindliche Ventil und öffnet es. Damit wird der Durchfluss nicht mehr durch die Hauptdüsen begrenzt und es kann mehr Benzin durch die Booster Venturis gezogen werden. Sobald die Belastung des Motors zurückgeht, steigt auch wieder der Ansaugunterdruck und der Kolben wird wieder nach oben gezogen. Damit schließt sich das Lastanreicherungsventil und somit herrschen wieder normale, geordnete Verhältnisse.

Viele Vergaser haben für diese Funktion keinen solchen schlanken Kolben, sondern eine Membran, die mit einer Feder vorgespannt ist und ebenfalls vom Ansaugunterdruck bewegt wird. Dies hat den Vorteil, dass man die Membranfeder leicht tauschen kann, und somit den Schaltpunkt der Lastanreicherung an den Motor anpassen kann. Ein getunter Motor hat typischerweise weniger Ansaugunterdruck (wegen besserer Zylinderfüllung durch geänderte Nockenwellen). Ein serienmäßiger Vergaser würde da viel zu früh das Power Valve öffnen und somit den Verbrauch sinnlos in die Höhe treiben. Jedoch kein Vorteil ohne Nachteil: Die Membrankonstruktion ist leider durch die große Membranfläche empfindlich. Falls es mal zu einer Rückzündung kommt (Verpuffung bis in den Vergaser), dann zerfetzt die Druckwelle mit schöner Regelmäßigkeit eben diese Gummimembran. Mit dem kleinen Kolben des Motorcraft 4300-Vergasers passiert in so einem Fall nix. Durch die kleine Fläche entsteht keine so große Druckkraft und das Ventil ist somit sehr beschädigungsresistent.

Bild

Zu guter Letzt sei der Vollständigkeit halber noch das Bimetall-Element erwähnt, welches ganz hinten auf dem 4300-Vergaser sitzt. Im Englischen wird das Teil Hot idle compensator genannt. Es soll bei sehr heißen Umgebungstemperaturen (und vor Allem bei hohen Vergasertemperaturen) dazu dienen, den Leerlauf zu stabilisieren. Bei extrem hohen Temperaturen verdampft Benzin viel besser, gleichzeitig ist die heiße Luft weniger dicht, enthält also pro Liter weniger Sauerstoffmoleküle. Dadurch kommt effektiv ein zu fettes Gemisch im Motor an, und der Motor könnte dadurch anfangen unrund laufen. Bei entsprechend hohen Temperaturen biegt sich deshalb das Bimetall-Element so hoch, dass der Dichtkegel von seinem Sitz abhebt und zusätzliche Luft in den Ansaugbereich strömen kann. Der Querschnitt ist relativ klein, so dass die zusätzliche Luftmenge im Wesentlichen nur im Leerlauf überhaupt einen merkbaren Effekt hat. Zieht man bei normalen Temperaturen die Bimetallfeder nach oben, wird man einen leichten Abfall der Leerlaufdrehzahl feststellen, da das Leerlaufgemisch dann zu mager wird. Der Effekt ist jedoch recht klein.

Ich hoffe, dass meine kleine vierteilige Reihe zur Vergasertechnik etwas für die Forumsteilnehmer gebracht hat. Vergaser sind schon recht komplexe Gebilde und eine richtige Einstellung beinhaltet etwas mehr als nur das Einstellen der Leerlaufdüsen. Trotzdem ist ein Vergaser kein unverständliches Mysterium, sondern besteht aus einer Reihe logisch aufgebauter Baugruppen. Das Verständnis für deren Funktionsweise kann vielleicht durchaus hilfreich und nützlich sein.

Ergänzungswünsche und Korrekturhinweise sind ausdrücklich erwünscht!
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Beitrag #8 von Lewi » Mo 23. Feb 2009, 12:38

So, Niels...



Ich hab mal, gemäss deiner Nachricht das komplette Thema, inclusive der 'Bedankungen' hierher geschoben... Dann ist ales zusammen.



auch von mir

Danke fr den Beitrag !



So langsam sammeln sich hierdoch eine Menge Tipps...


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