
Unter besonderer Berücksichtigung der Motorcraft „4300“ Vergaserbaureihe
Teil 1:
Viele Besitzer älterer amerikanischer Wagen stehen vor dem Problem, dass „irgendwas mit dem Vergaser nicht stimmt“. Nur was? Leider gibt es in Deutschland naturgemäß nur wenige Spezialisten, die sich mit den verschiedenen Vergasern amerikanischer Bauart auskennen. US-Fahrzeuge waren aufgrund der hubraumorientierten Besteuerung hierzulande stets benachteiligt, so dass nur wenige Autos als Neufahrzeuge hier in Deutschland zugelassen wurden. Entsprechend dünn ist die Anzahl der Werkstätten, die sich mit den Fahrzeugen einigermaßen auskennen. Daher muss man sich in der Regel selbst helfen, will man nicht ewig mit miesen Verbrauchswerten und schlechten Starteigenschaften leben. Ein guter Teil der berühmt-berüchtigten horrenden Verbrauchswerte kommt lediglich durch schlecht abgestimmte Vergaser zustande. Während hubraumschwächere Fahrzeuge bei ähnlichen Mängeln praktisch unfahrbar sind, läuft ein großer V8 einfach weiter – nur eben mit dramatisch schlechteren Verbrauchswerten. Der folgende Artikel befasst sich eingehend mit den Grundlagen und soll das technische Verständnis des interessierten Laien verbessern helfen. Verbesserungsvorschläge, Anregungen und Kritik sind durchaus willkommen.
Einleitung
Vergaser (engl. carburetor oder kurz carb) sind so konstruiert, dass sie für verschiedene Betriebsbedingungen des Motors automatisch das Mischungsverhältnis von Luft und Kraftstoff anpassen. Dies ist notwendig, da zum Starten, im Leerlauf oder auch bei Vollgas ein fetteres Gemisch als sonst benötigt wird. Lästerliche Stimmen behaupten, Vergaser seien wunderbar ingeniöse Gebilde welche zu jedem beliebigen Zeitpunkt genau das falsche Kraftstoff-Luft-Gemisch liefern...
Ein mageres Gemisch aus wenig Benzin und mehr Luft ist bei leicht gedrücktem Gaspedal und geringer Belastung des Motors erwünscht. Dieses verdünnte Gemisch im so genannten Teillastbereich wirkt sich vorteilhaft auf den Benzinverbrauch aus, ohne dabei die Leistung wesentlich zu verringern. Bei Vollgas und hoher Motorbelastung werden die letzten Leistungsreserven mobilisiert und ohne Rücksicht auf den resultierenden Kraftstoffverbrauch zusätzliche Benzinmengen durch den Vergaser gejagt. Bei niedrigen Motordrehzahlen (z.B. Leerlauf) ist ebenfalls eine Anpassung des Verhältnisses Luft zu Benzin notwendig, damit ein runder Motorlauf bei möglichst geringen Abgaswerten möglich ist.
Der Motor kann zunächst einmal als Vakuumpumpe betrachtet werden, der während des Ansaugtaktes durch die Abwärtsbewegung des Kolbens einen Unterdruck erzeugt. Luft wird daraufhin durch die einzige vorhandene Öffnung gesaugt – durch den Vergaser. Der Vergaser steuert dabei die Menge der angesaugten Luft und gleichzeitig die dazugehörige Kraftstoffmenge. Großvolumige V8-Motoren wie sie in Lincoln-Fahrzeugen typischerweise verbaut wurden, wurden bis zur Einführung von Einspritzanlagen mit sog. Vierfach-Vergasern (engl. 4-barrel bzw. 4-bbl) bestückt. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Anzahl der Luftdurchlassöffnungen des Vergasers. Vierfach-Vergaser boten bis zur Einführung von Einspritzanlagen für 8-Zylindermotoren den idealen Kompromiss aus Leistung und Spritverbrauch bei gleichzeitig relativ geringem konstruktivem Aufwand. 4-fach-Vergaser haben je zwei Primärsysteme (engl. main) und 2 Sekundärsysteme (engl. secondary). Das Sekundärsystem wird erst bei relativ weit durchgetretenem Gaspedal wirksam. Dann nämlich ist der Öffnungsquerschnitt des Primärsystems nicht mehr ausreichend, um die maximal mögliche Leistung zu erzielen. Es wird im Prinzip ein zusätzlicher Vergaser aktiv, um noch mehr Benzin in die Brennräume des Motors zu schaffen. Warum nun aber das Ganze doppelt? Bei einem Ford-V8 ist der Ansaugtrakt in zwei Bereiche aufgeteilt (engl. dual plane intake manifold). Dies ist jedoch nicht wie man denken könnte der linke und rechte Teil des Motors, sondern je 2 Zylinder aus der rechten und linken Zylinderbank sind zusammengefasst. Die Aufteilung richtet sich nach der Zündreihenfolge und ist so gestaltet, dass durch den zweigeteilten Ansaugtrakt immer abwechselnd durch die linke und die rechte Vergaserseite angesaugt wird. Dadurch gibt es in jeder Vergaserhälfte eine stärkere Pulsation. Ein Vergaser funktioniert mit dieser Strömungspulsation besser, als bei einer gleichförmigeren Strömung. Das liegt daran, dass der Vergaser im Wesentlichen nur Druckunterschiede für die Zumessung der richtigen Kraftstoffmenge nutzen kann. Und mit der abwechselnden Arbeitsweise der beiden Vergaserhälften sind die Unterdrucksignale eben stärker. Das hilft bei der Abstimmung des Vergasers und außerdem erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit im Ansaugkanal, wenn es diese eben beschriebenen getrennten Ansaugwege gibt.
Schwimmer
Der Schwimmer (engl. float) ist dazu da, eine konstante Menge Benzin in der Schwimmerkammer (engl. fuel bowl) auf Vorrat zu halten. Der konstante Füllstand ist deswegen so wichtig, weil viele (eigentlich beinahe alle) Vergaserfunktionen davon abhängig sind. Damit sich der richtige Füllstand einstellen kann, muss an der Schwimmerkammer eine Belüftungsöffnung vorhanden sein. Ab etwa 1970 wurden aus Umweltschutzgründen diese Belüftungsöffnungen so gelegt, dass sie in den Bereich innerhalb des Luftfilters führen. Eventuell austretende Benzindämpfe werden somit vom laufenden Motor angesaugt und verbrannt.
Manche Vierfach-Vergaser (z.B. Holley-Vergaser der Baureihe 4150) haben zwei Schwimmerkammern für das Primär- und Sekundärsystem. Die beiden Schwimmerkammern sind durch entsprechende Bohrungen miteinander verbunden, so dass nur eine Kraftstoffleitung von der Benzinpumpe zum Vergaser benötigt wird.
Am 4300-Vergaser wird das Benzin über den Vergaserdeckel in die Schwimmerkammer des Vergasers geführt. Dafür sind zwei Ventile im Vergaserdeckel zuständig. Das Haupteinlassventil (engl. fuel inlet valve) hat einen dreieckigen Schaft und eine Gummispitze. Diese Gummispitze dichtet das Ventil bei ausreichendem Kraftstoffstand gegen den Förderdruck der Kraftstoffpumpe ab.

Unter extremer Hitze (z.B. sehr heißer Motor wird abgestellt) kann es vorkommen, dass sich in der Leitung von der Kraftstoffpumpe zum Vergaser durch die Stauwärme Dampfblasen bilden. Dadurch würde beim erneuten Starten des Motors weniger Benzin im Vergaser ankommen als eigentlich gebraucht wird, da der Durchflussquerschnitt des Hauptventils nicht ausreicht, um die Dampfblasen und den benötigten Kraftstoff passieren zu lassen. Fällt der Schwimmer daher unter ein vorbestimmtes Niveau, so öffnet sich daher ein zweites Einlassventil und vergrößert dadurch den Durchlassquerschnitt und die Menge an Kraftstoff, die in den Vergaser gelangt.

Der Schwimmer des 4300-Vergasers besteht aus einem geschäumten Kunststoff (Nitrophyl). Dieser ist entgegen landläufiger Meinung kaum beschädigungsanfällig. Die einzelnen Zellen des Schaumstoff-Materials sind geschlossenen, so dass eine eventuelle Beschädigung der äußeren glatten Oberfläche nicht zum Vollsaugen wie bei einem Schwamm führt. Allerdings ist die Verträglichkeit dieses Materials mit Methanol und Ethanol eher mittelmäßig. Beimischungen bis 10% Methanol im Benzin sind jedoch zulässig.